Kinder können in Viersen für das Fehlverhalten ihrer Eltern bestraft werden!

Christoph Saßen, Fraktionsvorsitzender

Dies ist das Ergebnis der heutigen Sitzung des Rates der Viersen.

Worum geht es?

Der Rat der Stadt Viersen hat in seiner Sitzung am 04.10.2016 unter TOP 9 die "Satzung über die Teilnahme und Erhebung von Beiträgen im Rahmen außerunterrichtlicher Angebote der Offenen Ganztagsschule sowie der städtischen Betreuungsmaßnahme Schule von acht bis eins in der Stadt Viersen" mehrheitlich beschlossen.

Innerhalb dieser Satzung steht unter § 10 Absatz 2 das folgende:

 (2) Ein Kind kann durch die Stadt von der Teilnahme an den außerunterrichtlichen Angeboten der

Offenen Ganztagsschule sowie städt. Betreuungsmaßnahme „Schule von acht bis eins“ ausgeschlossen werden. Der Ausschluss aus der Offenen Ganztagsschule beinhaltet auch den Ausschluss von der gemeinsamen Mittagsmahlzeit. Der Ausschluss erfolgt insbesondere, wenn

1. die Angaben, die zur Aufnahme geführt haben, unrichtig waren bzw. sind oder

2. die Eltern ihrer Beitragspflicht zur Zahlung der Elternbeiträge nicht nachkommen, d. h.

mit mindestens zwei Monatsbeiträgen in Verzug sind oder

3. die Eltern ihrer Pflicht zur Zahlung des Mittagessens nicht oder nicht ausreichend

nachkommen und mit einem Betrag für mindestens 34 Mahlzeiten (zwei Monate mit

jeweils durchschnittlich 17 Mahlzeiten), die eingenommen oder bereitgestellt wurden, in

Verzug sind oder

4. das Kind das Betreuungsangebot nicht regelmäßig wahrnimmt oder länger als einen

Monat unentschuldigt fehlt oder

5. das Verhalten des Kindes ein weiteres Verbleiben nicht zulässt oder

6. die erforderliche Zusammenarbeit zwischen den Eltern, der Schule und dem Träger des

Angebots von den Eltern nicht mehr ermöglicht wird.

Im Dezember 2016 hat die Ratsfraktion DIE LINKE beantragt, das der Rat diese beiden markierten Ziffern wieder aus der Satzung (die erst zum 01.08.17 in Kraft tritt) streichen möge. Aufgrund des zweistufigen Antragsverfahrens hatte der Rat im Dezember erst zu entscheiden, ob sich die Verwaltung der Thematik überhaupt weiter annehmen soll. Aufgrund einer Vertagung über den Jahreswechsel kam es dann am 08.02.17 mit einer denkbar knappen Mehrheit zur Beauftragung an die Verwaltung (zu unserer damaligen Pressemitteilung)

Aus unserer Antragsbegründung:

Aus Sicht der Ratsfraktion DIE LINKE handelt es sich bei den markierten Ziffern 2 und 3 um nichts anderes als Sanktionsparagraphen die dazu führen können, dass Kinder für das Fehlverhalten ihrer Eltern haften bzw. bestraft werden.

Die Fraktion DIE LINKE hält sowohl das Vorgehen (auch wenn es eine KANN-Bestimmung ist) als auch eine mögliche Umsetzung für rechtlich fragwürdig und verweist diesbezüglich auf Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 3 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention, welche auch die Bundesregierung für die Bundesrepublik Deutschland unterschrieben hat und die damit auch in der Stadt Viersen gültig ist.

 

Artikel 2 Absatz 2 der UN-Kinderrechtskonvention im Wortlaut:

Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass das Kind vor allen Formen der. Diskriminierung oder Bestrafung wegen des Status, der Tätigkeiten, der Meinungsäußerungen oder der Weltanschauung seiner Eltern, seines Vormunds oder seiner Familienangehörigen geschützt wird.

 

Artikel 3 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention im Wortlaut:

Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.

 

Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE bedeutet dies, dass das Kindeswohl vorrangig der Beitragspflicht der Eltern zu sehen ist und die in der Satzung benannten Sätze ersatzlos zu streichen sind. 

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zur Sitzungsvorlage

Nach Beratung im Jugendhilfeausschuss und zweimaliger Beratung im Schulausschuss hatte am heutigen Abend der Rat der Stadt Viersen das letzte Wort zum Antrag der Viersener Ratsfraktion DIE LINKE.

Nach erneuter hitziger Diskussion wurden folgende Beschlussentwürfe, welche aus dem Jugendhilfeausschuss übernommen wurden, jeweils getrennt geheim abgestimmt:

Der Rat der Stadt Viersen beschließt:

1) Die Ziffer 2 in Absatz 2 des Paragraphen 10 (Ausschluss wg. Elternbeitragsrückständen) der vom Rat der Stadt Viersen am 04.10.2016 beschlossenen Satzung "Satzung über die Teilnahme und Erhebung von Beiträgen im Rahmen außerunterrichtlicher Angebote der Offenen Ganztagsschule sowie der städtischen Betreuungsmaßnahme Schule von acht bis eins in der Stadt Viersen" zu streichen.

2) Die Ziffer 3 in Absatz 2 des Paragraphen 10 (Ausschluss wg. Essensgeldrückständen) der vom Rat der Stadt Viersen am 04.10.2016 beschlossenen Satzung "Satzung über die Teilnahme und Erhebung von Beiträgen im Rahmen außerunterrichtlicher Angebote der Offenen Ganztagsschule sowie der städtischen Betreuungsmaßnahme Schule von acht bis eins in der Stadt Viersen" zu streichen.

Ergebnis:

zu 1) 12 ja, 39 nein, 1 Enthaltung - der Antrag ist abgelehnt

zu 2) 19 ja, 32 nein, 1 Enthaltung - der Antrag ist ebenfalls abgelehnt

 

Mit dieser Abstimmung hat der Rat der Stadt Viersen die ursprüngliche Fassung der genannten Satzung bestätigt.

Der Rat der Stadt Viersen ist entgegen der Auffassung u.a. der Ratsfraktion DIE LINKE also mehrheitlich der Meinung, dass es in Ordnung ist, wenn Kinder für das Fehlverhalten ihrer Eltern bestraft werden können.

Die Ratsfraktion DIE LINKE bedankt sich hiermit bei allen Unterstützerinnen und Unterstützern unseres Antrages zum Wohle der Kinder in unserer Stadt.

Leider sind wir am heutigen Abend mit unserem Antrag zur Streichung der (aus unserer Sicht) Sanktionsparagraphen nicht erfolgreich gewesen. Nichts desto trotz werden wir uns auch in Zukunft weiterhin für kostenfreie Bildung von der Wiege bis zur Universität einsetzen.  

 

Christoph Saßen

Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. Fraktion im Rat der Stadt Viersen