Rede zum Kreishaushalt 2020 des Kreises Viersen der Fraktion DIE LINKE. im Kreistag Viersen vom 14.05.2020

Christoph Saßen, Fraktionsvorsitzender

Sehr geehrter Herr Landrat,

sehr geehrte Damen und Herren,            

liebe Bürgerinnen und Bürger,

in der Vorüberlegung zu dieser Haushaltsrede im Februar diesen Jahres hatte ich mir einige Themen zurecht gelegt, die ich im Rahmen der Haushaltsrede aufarbeiten wollte. Als einen Punkt wollte ich auf die vom Landrat in seiner Haushaltsrede benannte Entlastung der Städte und Gemeinden des Kreises um 9 Mio. Euro sprechen. Ja, der Kreis hat einen Haushaltsentwurf mit einem Fehlbedarf von 5,6 Mio. Euro vorgelegt. Tatsache ist aber auch, das dies annähernd der Betrag ist, den die Städte und Gemeinden im Vorjahr zu viel an Kreisumlage bezahlt haben! Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Antrag der Bürgermeisterin und der Bürgermeister im Rahmen der Herstellung des Benehmens gem. § 55 Kreisordnung NRW mit den Städten und Gemeinden des Kreises vom 29.11.2018. Hier wurde beantragt, das der Kreis Viersen aufgrund kalkulierter Überschüsse im Rahmen der Haushaltsplanentwürfe für die kommenden Jahre die Kreisumlage als das letztrangige Finanzierungsmittel ansieht und die Hälfte des prognostizierten Überschusses des Jahres 2018 (zum damaligen Zeitpunkt 4,75 Millionen Euro) über eine Entnahme der Ausgleichsrücklage an die Städte und Gemeinden zurück erstattet.

Die Fraktion DIE LINKE hatte hier als einzige Fraktion FÜR das Ansinnen der Bürgermeisterin und Bürgermeister argumentiert und auch entsprechend zum Kreishaushalt 2019 abgestimmt. Der Überschuss des Kreishaushaltes im Jahr 2018 betrug dann runde 10,3 Millionen Euro, 5,6 Millionen Euro davon gehen nun an die Städte und Gemeinden zurück. Aus Sicht unserer Fraktion handelt es sich also beim eingebrachten Fehlbetrag für den Kreishaushalt 2020 nicht um eine Wohltat für die Städte und Gemeinden des Kreises, sondern um eine entsprechende Verrechnung von zu viel gezahlter Kreisumlage der Vergangenheit. Auch das wir einen Antrag an die Sparkasse Krefeld gestellt haben, um die Einnahmeseite der Kreisfinanzen zu verbessern hatte ich geplant zu sagen. Verbinden wollte ich dies mit der Bemerkung, dass wir dies auch in diesem Jahr machen werden, verbunden mit einem Antrag zur Abschaffung der Kontogebühren von Bezieher*innen von ALG II und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Ich wollte noch vieles mehr schreiben und sagen, dann kam Corona…

und eine neue Situation, die die benannten Punkte nicht auflöst, die aber den Haushalt in seiner Gesamtheit mit weiteren Fragezeichen versehen.

 

Herr Landrat,

meine Damen und Herren,

demokratische Partizipation sowie öffentliche Debatten sind im Kreistag bereits in der Vergangenheit eine Seltenheit gewesen. Viele Punkte, die aus Sicht unserer Fraktion politisch zu beraten und debattieren sind, werden im Kreistag und seinen Gremien lediglich zur Kenntnis genommen. Eins dieser Themen war zum Beispiel die Neuberechnung der Kosten der Unterkunft, Stichwort Bruttokaltmiete, die wir im Übrigen bis heute für falsch halten. Eine öffentliche politische Diskussion dazu war nicht gewollt und fand auch bis heute nicht statt.

Ebenfalls keinerlei politische Debatte fand zum aktuellen Thema „Mögliches neues Polizeigebäude des Kreises Viersen am Ransberg in Dülken“ statt. Hier hat sich die Verwaltung über die Änderungsliste zum Haushalt 800.000 Euro zur Sitzung des Finanzausschusses Anfang März zusätzlich in den Haushalt geschrieben. Sollte es kein Polizeigebäude werden, so würde man das Grundstück für Neubauten von Weiterbildungseinrichtungen verwenden, so schreibt die Verwaltung in der Vorlage zu unserem Antrag. Über die Änderungsliste im Finanzausschuss wäre der Punkt binnen drei Wochen über den Haushalt zusammen mit dem Kreishaushalt beschlossen worden. Es gab zum Ankauf dieses Grundstückes oder zur Thematik an sich keinerlei öffentliche politische Debatte, kein Ausschuss hat darüber beraten, es gibt keinen Beschluss diesbezüglich. Wir haben beantragt, diese 800.000 Euro mit einem Sperrvermerk zu versehen, den der Kreistag nach öffentlicher Beratung und Beschluss aufheben kann. Unser Antrag dazu soll abgelehnt werden, so schlägt es die Verwaltung im vorliegenden Beschlussvorschlag zu unserem Antrag vor. Anders gesagt, es soll keine öffentliche Debatte geben. Die Verwaltung entscheidet, was der Kreis braucht oder nicht braucht. Ist der Kauf getätigt, wird es heißen, ja wir haben ja jetzt schon gekauft, dann sollten wir ja an diesem Ort auch etwas bauen. Aus Sicht unserer Fraktion wird hier die Politik, werden hier die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Vertreterinnen und Vertreter, bewusst umgangen.  

 

Gleiches passiert seit Mitte März zum Thema Corona.

Natürlich ist uns bewusst, dass hier erst einmal die Verwaltung ihre Aufgaben zu erledigen hat, die Weisungen aus Bund und Land umgesetzt werden müssen und vieles weitere mehr. Aktuell haben wir alle paar Stunden neue Rahmenbedingungen und Neuigkeiten, dementsprechend wichtig ist es aus unserer Sicht, möglichst transparent die politischen Gremien hier mitzunehmen. Genau das passiert nicht! Die Fraktion DIE LINKE wartet seit über zwei Monaten auf Antworten aus Ihrer Anfrage vom 01. März, seit über einem Monat auf Antworten auf die Anfrage vom 06. April! Auf Nachfrage erklärte der Landrat, dass man aktuell kein Personal des Gesundheitsamtes erübrigen könnte, um unsere Anfragen zu beantworten. Ein entsprechender und passender Antrag auf Aufstockung des Personals im Gesundheitsamt wird dann im Übrigen von der Verwaltung auch abgelehnt! Wann wir hier Antworten auf unsere Fragen bekommen ist völlig offen. Anfragen und deren Antworten sind ein demokratisches Recht einer Fraktion. Wir haben nicht verlangt, dass wir sofort und umgehend Antworten bekommen, aber ein vertretbarer zeitlicher Rahmen ist aus unserer Sicht bei beiden Anfragen weit überschritten!  

Wir wüssten auch gerne, wie es sein kann, dass Bürgerinnen und Bürger des Kreises Viersen, die die Zulassungsstelle in Kempen genutzt haben, den dreifachen Preis für die gleiche Leistung wie sonst zu zahlen hatten. Als Quelle verweise ich hiermit auf den entsprechenden Artikel der WZ vom 26. April 2020[1], in der über einen zusätzlichen Dienstleister zur Erfüllung der Aufgaben im Straßenverkehrsamt berichtet wird. Als Mitglied des Kreistages war mir dies vollkommen neu und ich bin nach wie vor verwundert über die Art und Weise dieses Vorgehens und auch darüber, wie mich diese Information erreicht hat. Wenn Kreistagsmitglieder über solche Vorgänge nur aus der Zeitung erfahren, so läuft aus unserer Sicht etwas schief und sollte in und für die Zukunft korrigiert werden.

 

Herr Landrat,

meine Damen und Herren,

wir freuen uns über den Antrag der SPD zum Thema Beitragsfreiheit für frühkindliche Bildung im Kreis Viersen. Die Fraktion DIE LINKE redet bereits seit vielen Jahren davon, dass Bildung von der Wiege bis zur Hochschule kostenfrei sein sollte und selbstverständlich werden wir den vorliegenden Antrag der SPD unterstützen. Was wir hingegen nicht unterstützen ist die vom Jugendhilfeausschuss vorgelegte neue Beitragstabelle, genannt Szenario 3, als Reaktion auf den Antrag der SPD. Wir werden dem nicht zustimmen.

Ebenfalls nicht zustimmen werden wir dem Antrag der SPD zum globalen Minderaufwand. Aus unserer Sicht sollten Kürzungen im Haushalt schon konkret benannt werden, anstatt pauschal durch die Reihen zu kürzen. Wir halten dies nicht für zielführend.

Die Fraktion DIE LINKE hat eine Reihe aus unserer Sicht wichtiger Anträge an den Kreistag gestellt, die sowohl die Corona-Pandemie als auch weitere Punkte betreffen. Gerade zu unseren Corona-Anträgen würde ich mir wünschen, dass der Kreistag diesen hier zustimmt, auch um hier auf eine etwaige mögliche zweite Welle, eine mögliche weitere schwere Zeit besser vorbereitet zu sein. Unseren Antrag zum Thema „Kreistags-TV“ halten wir selbstverständlich aufrecht. Die Intention des Organisations- und Personalausschusses, diesen Antrag in die nächste Legislaturperiode zu verschieben ist für uns weder nachvollziehbar noch rein rechtlich in Ordnung, zumal es sich hier um einen Antrag zum Kreishaushalt 2020 handelt, der am heutigen Abend beschlossen werden soll.

Nicht klar ist uns im Übrigen, wieso der Dringlichkeitsbeschluss mit der Vorlagen-Nr. 87/2020 über ein Corona-Paket von bis zu 16 Millionen Euro nicht im Haushalt mit beraten wird, da beide Punkte heute auf der Tagesordnung stehen. Auf Nachfrage wurde uns mitgeteilt, dass es sich bei den 16 Millionen Euro um eine sehr grobe und unklare Berechnung handelt, in der bisher Kosten in Höhe von ca. 9 Millionen Euro entstanden und die restlichen Kosten hochgerechnet worden sind. Ein Großteil der Kosten sind im Krisenstab entstanden. Eine aktuelle Auflistung der Kosten liegt uns hier nicht vor.

 

 

Herr Landrat,

meine Damen und Herren,

dieser Haushalt hat Punkte, die wir mittragen könnten und Punkte, die wir nicht mittragen werden. Als Beispiel zu nennen sind da die nach wie vor und wohl auch zukünftig vorhandenen Elternbeiträge für die Teilnahme an der Kreismusikschule sowie Elternbeiträge für die KiTa und die Kindertagespflege. Weiterhin finden wir nach wie vor generell kostenfreien Eintritt ins Niederrheinischen Freilichtmuseum sinnvoll. Aus Sicht unserer Fraktion sollte Bildung und dazu zählt im Rahmen kultureller Bildung dann für uns auch die Dorenburg, generell kostenfrei sein. Kritisch sehen wir auch weiterhin die Mitgliedschaft des Kreises in der "Metropolregion Rheinland e.V.", auch wenn es sich hier um einen eher geringen Betrag von 22.000 Euro handelt.

 

Nach intensiver Beratung und wenn es entsprechend der Beschlussvorschläge bei den Ablehnungen unserer Anträge bleibt, hat die Fraktion DIE LINKE in Summe und mit Abwägung beschlossen, die  Haushaltssatzung 2020 mit Haushaltsplan und Anlagen sowie den Stellenplan abzulehnen.

Selbstverständlich möchte auch ich mich im Namen meiner Fraktion bei der Verwaltung für Ihre Arbeit bedanken.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und bleiben Sie gesund

 

Christoph Saßen

Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. Fraktion im Kreistag Viersen

 


[1]https://www.wz.de/nrw/kreis-viersen/kempen-und-grefrath/kempen-gebuehren-aerger-im-strassenverkehrsamt_aid-50245423